Adam, Roock, Sgier: Battle um die beste Haxe

Die Idee ist nachts an der Bar entstanden: Im «Lucide» Luzern kochen drei Starchefs um die beste Schweinshaxe.

 

EINE SCHNAPPSIDEE. 

Es war eine – im Wortsinn – Schnapsidee, die Arno Sgier am Jahrestreffen der Grandes Tables im Jahr 2023 zur Sprache brachte: Der selbstbewusste Bündner aus Trimbach SO hatte im Kreise von Kollegen seine Haxe vom Ormalinger Schwein als Mass aller Dinge angepriesen. Der Kampfgeist von Ivo Adam und Mattias Roock war geweckt, man verabredete sich zu einer «Battle» um die beste Haxe (mit Kartoffelsalat). «Ich stand blöderweise mit meinem Gin Tonic einfach zu nah bei Arno und Ivo und konnte mich nicht zurückhalten», sagt Mattias Roock. «Ich dachte, es kann doch nicht sein, dass sich zwei Schweizer um die beste Haxe streiten.» Für die Austragung dieses kulinarischen Triells konnte man sich dann auf den neutralen Boden von Luzern einigen. «Lucide»-Chefin Michèle Meier anerbot sich als Gastgeberin. Grosses Bild oben v.l. Mattias Roock, Arno Sgier, Ivo Adam.

 

 

WECKER UM 6.15 UHR. 

Die Haxen-«Battle» beginnt in der Küche im KKL zunächst auf verbaler Ebene – psychologische Kriegsführung scheint das Mittel der Stunde zu sein. Arno Sgier zieht Mattias Roock auf und umgekehrt natürlich auch. Roock, Executive Chef im Swiss Deluxe Hotel Castello del Sole und in der «Locanda Barbarossa» mit 18 Punkten ausgezeichnet, ist an diesem Sonntag um 6.15 Uhr aufgestanden. «Ich habe die Spanferkel-Haxen schon leicht vorgegart, da ich nicht wusste, ob es zeitlich aufgeht», sagt er. Seine Methode sei klassisch, das Fleisch wird im Fond gegart und dann knusprig gebacken. Arno Sgier hingegen bereitet sein Fleisch sous-vide zu: «Es gart etwa 36 Stunden und wird davor nur gesalzen, gepfeffert und angebraten», so der 17-Punkte-Koch. Am Schluss werden die Stücke im heissen Öl knusprig gebacken.

 

ESSIG UND NUSSBUTTER.

Ivo Adam kommt zwar mit etwas Berner Verzögerung in Luzern an, ist aber gut vorbereitet. Seine Haxen, vom Spanferkel und vom Duroc-Schwein, hat er zu Hause erst gebeizt und dann ebenfalls sous-vide bei 65 Grad vorgegart. Sie werden danach zusätzlich noch mit Essig mariniert und trocknen dann im Kühlschrank, bevor sie am Ende im Ofen und unter dem Grill fertiggestellt werden. «Durch das Trocknen wird die Haut später knusprig und der Essig neutralisiert das sonst gerne zu intensiven Schweinearoma, das in der Haut sitzt», erklärt er seine Methode. Zum Schluss wird das Fleisch noch mit etwas Nussbutter glasiert, «so wird die Haut noch etwas knuspriger», findet Adam. Entscheidend sei aber auch die Qualität des Produkts: «Gekauft habe ich das Fleisch bei meinem guten Freund Roger Bigler von Meat & More im Seeland.»

 

NUMMER DREI HAT MICH WEGGEHAUEN. 

Bewertet wird das Ergebnis von einer prominent besetzten Jury: Christian Gujan, Chef des «Glou Glou» (GaultMillau POP des Jahres), Moritz Stiefel vom «Hopfenkranz» (15 Punkte), Bernadette Lisibach (17 Punkte in der «Neuen Blumenau» in Lömmenschwil) oder Michèle Meiers Schwester Pascale, die ebenfalls in der Gastronomie arbeitet und ihre Lehre zur Köchin beim legendären Nik Gygax im «Löwen» in Thörigen sitzen vor dem Notenblatt. Bewertet werden Geschmack, Aussehen, Zartheit und Knusprigkeit mit Noten von 1 bis 10. «Nummer drei hat mich weggehauen», sagt Moritz Stiefel kurz nach der Degustation. Für Bernadette Lisibach sind «Geschmack und Zartheit» die wichtigsten Kriterien. «Man hat bei den drei Beispielen gut gemerkt, wie unterschiedlich der Umgang mit Gewürzen ist», fasst die Köchin des Jahres 2015 zusammen.

 

 

UND DIE GOLDENE HAXE GEHT AN… Die – buchstäblich! – goldene Haxe geht am Ende mit 291 Punkten klar an Ivo Adam, Mattias Roock und Arno Sgier liegen mit 265 und 263,7 Punkten fast gleichauf dahinter. «Ich habe zum ersten Mal überhaupt Schweinshaxe zubereitet», behauptet der Sieger hinterher. Er habe sich in einem Anflug von Übermut zum Wettbewerb angemeldet. «Die letzten Jahre hatte ich immer Köche, die meine Gerichte umgesetzt haben. Jetzt musste ich wieder selbst ran», sagt Adam. Für Arno Sgier, der seine Haxe seit Jahren in der «Traube» in Trimbach serviert, geht das Resultat in Ordnung. «Meine Gäste lieben dieses Gericht, und ich selbst esse die Haxe so auch am liebsten», sagt er. Später bei der familiären Tavolata, zu der Mattias Roock neben seiner Haxe auch noch mittelscharfen Bautzner-Senf aus seiner Heimat beisteuert, wird bereits das nächste Wettbewerbsthema diskutiert. Ob es die besprochene Tarte Tatin werden wird, ist allerdings offen. Entschieden wird das vermutlich bei nächster Gelegenheit spätabends an der Bar.

 

Guy Ravet, Lucrèce Lacchio & viel EHL-Power!

So viel Personal wie Gäste: Die Starchefs haben an der École Hôtelière Lausanne mit grosser Kelle angerührt

 

SECHS GERICHTE, SECHS WEINE. 

Ein Vierhänder mit diesem Personalaufwand ist nur an der EHL möglich: Für 44 Gäste stehen ganze 15 Personen in der Küche, die Abwäscher gar nicht mitgezählt. Und im Service hat es nochmal so viele Mitarbeiter. Verantwortlich für die sechs Gerichte an diesem Abend sind Lucrèce Lacchio, die hiesige Küchenchefin (zuvor im «Flacon», Carouge GE, 15 Punkte), und Guy Ravet («Emotions» im Swiss Deluxe Hotel du Lac, Vevey VD, 17 Punkte). Der Sommelier Marc-Henri Mialon schliesslich hat sechs der schönsten Weine der Region ausgesucht; teilweise sind die Rebberge vom Restaurant aus sogar fast zu erblicken.

 

 

ZUFALL? UBS-LOGO ALS AMUSE-BOUCHE.

Es erstaunt wenig, dass die beiden Küchenchefs kurz vor Einlass der Gäste ruhig und entspannt wirken. Mit den Amuse-Bouches holen sie sich auch schon die ersten Punkte: knusprige Teigkissen mit Champignon-Haselnussfüllung. Köstliche Sandwiches, die mit Ochsenschwanz und Kirsche gefüllt sind. Zitronige Gruyère-Gougères. Zufall, dass die Entenleberterrine in roter Feigensphäre, serviert auf schwarzem Holzlöffel, entfernt ans Logo der UBS erinnert, die den Abend organisiert hat? «So war das zumindest nicht geplant», schmunzelt Ravet.

 

 

 

GUY RAVET SCHLEICHT SICH AN. 

Schon bald serviert der Präsident der «Grandes Tables Suisse» seine erste Vorspeise, mit welcher er sich, was die Aromen angeht, fast auf Samtpfoten anschleicht: Carpaccio von der Jakobsmuschel mit leicht säuerlichem Joghurtschaum, erdigem Randensud und einigen vorsichtig pikanten Würfelchen Fenchel-Kimchi. Perfekt ergänzt wird das Gericht vom immer wieder verblüffenden Chenin Blanc «Salix» von der Domaine Louis Bovard.

 

FISCH UND ERDBEEREN – SO GEHT FRÜHLING BEI LUCRÈCE LACCHIO.

Wie gekonnt Lucrèce Lacchio Zutaten kombiniert, zeigt sie in Folge mit einigen Tranchen vom Adlerfisch: Die Filets wurden erst eine Stunde lang in Salz und Zucker eingelegt, dann bei 43 Grad sous-vide gegart, fein tranchiert, schliesslich kräftig abgeflämmt, was man am Ende angenehm herausschmeckt. Ergänzt wird der Fisch mit perfektem Biss von (selbstverständlich geschälten) Erbsen, etwas Minzecreme für die grünen Aromen. Und Erdbeeren! Das ist nicht nur farblich hübsch, sondern schmeckt auch raffiniert: Wer alles zusammen auf die Gabel lädt, hat einen Mund voller Frühling!

 

 

«PULLED PIGEON» VERSTECKT IN EINER KUGEL! 

Guy Ravet verblüfft mit dem ersten Hauptgang gleichermassen: Weil er es schafft, seine herrlich dünnen Agnolotti mit Schafsricotta-Füllung und Bergamotte mit einem Schaum aus Hafer und peruanischem Kaffee zu vermählen. Das funktioniert! Einen weiteren Höhepunkt setzt die Herrin des Hauses mit einer zarten, wunderbar rosa Taubenbrust, die sie mit Artischockenböden, -chips und -creme anrichtet. Ein weiterer Aroma-Twist: kleine Kügelchen vom grünen Apfel! Ganz zurückhaltend legt sich zudem ein Hauch von Bärlauch übers Gericht, er kommt von einigen Tropfen aromatisiertem Öl. Was ist in der frittierten Kugel, die frech auch noch auf dem Teller liegt? «Pulled Pigeon»!

 

 

KÄSEGANG MIT SALZIGEM GLACE. 

Der flinke und hervorragend orchestrierte Service legt Brot nach, gibt den weissen Süsswein «Quentus» 2021 von der Domaine Les Frères Dubois ins Glas. Nun kommt der Käsegang von Ravet: ein mit Kräutern dekorierter bröckeliger Schafsfrischkäse mit Sauerampferglace und Blütenpollen. Da werden in Sachen Säure, Süsse, Bitter-und Salzigkeit nochmals alle Register gezogen. Bevor Lucrèce Lacchio zusammen mit ihrem Patissier Marc Turcas nachlegt: Mit verschiedenen Texturen von schwarzer Schokolade und Rande. Hier wird übrigens deutlich, was Sommelier Mialon im Gespräch mit Gabriel Lamon von der UBS mit seinem überraschenden Tipp für die perfekte Mariagen gemeint hat: «In 90 Prozent aller Fälle reicht es, wenn die Farben von Wein und Speisen zueinander passen!» Der Gamar’one, ein dunkler, kräftiger Gamaret im Amarone-Stil, ergänzt das Dessert farblich – und eben auch geschmacklich – perfekt.